OLG Hamburg: Otto darf Parodie von Rizzi-Gemälde verkaufen

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Das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) hat mit Urteil vom 10.06.2021 (Az. 5 U 80/20) entschieden, dass das nachstehende, von dem deutschen Künstler Otto geschaffene Gemälde „Ottifanten in the City“

nicht die Rechte des amerikanischen Pop Art Malers James Rizzi an dessen Gemälde „Summer in the City“ verletzt. 

Die Klägerin vertreibt die Werke des inzwischen Verstorbenen Künstlers James Rizzi in Deutschland und verfügt insofern über die ausschließlichen Rechte. Ihr wurde 2018 bekannt, dass „Otto“ in Anlehnung an verschiedene Werke von Rizzi eine Reihe von eigenen Gemälden schuf und diese als Unikat sowie als limitierte Edition verkaufte, wodurch er über 800.000 EUR erlöst haben soll. Sie verklagte Otto und forderte Unterlassung, Auskunft über den Umfang der Rechtsverletzungen und Schadensersatz. Das Landgericht Hamburg hat die Klage abgewiesen, da eine zulässige Parodie vorliege (Urteil vom 16.04.2020, Az. 310 O 45/19). Das OLG hat sich dieser Auffassung angeschlossen und die Berufung zurückgewiesen. 

Der Urheber eines Gemäldes hat u.a. das ausschließliche Recht, dieses zu vervielfältigen, § 16 UrhG. Malt ein Dritter eine „Kopie“, kann der Urheber die Verwertung dieser Kopie verbieten. Für bestimmte Nutzungsformen sieht das Urheberrecht jedoch Ausnahmen vor, die „Schranken“ genannt werden, weil sie den Schutzbereich des Urheberrechts beschränken. Eine solche Schranke stellte die sog. „freie Benutzung“ gemäß § 24 UrhG dar, nach der ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden durfte.

Parodien können eine solche „freie Benutzung“ darstellen. Allerdings hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil „Metall auf Metall“ (Az. C-476/17), in dem es um ein Sample der Band Kraftwerk ging, festgestellt, dass die Regelung des § 24 UrhG nicht mit zwingendem Unionsrecht vereinbar ist, weil allein die Ausnahmen und Beschränkungen des Urheberrechts zulässig sind, die in Art. 5 der InfoSoc-Richtlinie enthalten sind. § 24 UrhG wurde im Anschluss aufgehoben und die Schranken, einschließlich der Parodie, in § 51a UrhG neu geregelt.

Das OLG hält in seiner Entscheidung jedoch fest, dass die Regelung des § 24 UrhG auf den Fall anwendbar ist. Da die Parodie als Schranke in Art. 5 der InfoSoc-Richtlinie ausdrücklich genannt wird, sei § 24 UrhG in richtlinienkonformer Auslegung anzuwenden. Eine freie Benutzung liege vor, da die „Ottifanten-Parodie“ einen ausreichenden Abstand zu dem Original von Rizzi aufweise. Der äußere Abstand zwischen den Werken genüge allerdings nicht. Bei der gebotenen Gesamtschau unter Berücksichtigung sämtlicher übernommener schöpferischer Züge bestehe trotz der von Otto vorgenommenen Änderungen eine erhebliche Ähnlichkeit der Bilder, ein ausreichender Abstand werde nicht erzielt und sei wohl „auch gar nicht angestrebt“. Es läge aber ein ausreichender innerer Abstand vor, der das Bild als Parodie zulässig mache.

Dieser komme regelmäßig in „einer antithematischen Behandlung des parodierten Werkes zum Ausdruck“. Wesentliches Merkmal einer Parodie sei gerade, „an ein bestehendes Werk zu erinnern, gleichzeitig aber ihm gegenüber wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen und zum anderen einen Ausdruck von Humor oder eine Verspottung darzustellen“. Die in das Bild eingefügten „Ottifanten“ würden die ursprüngliche Bildaussage verändern und eine neue Wirkung erzielen. Dabei käme es nicht auf die Rezeption durch den „Durchschnittsverbraucher“ an. Wegen der Bedeutung der Kunstfreiheit sei vielmehr auf die Perspektive eines Betrachters abzustellen, „der die Vorlage kennt, aber auch das für das neue Werk erforderliche intellektuelle Verständnis besitzt“. 

Nach Art. 5 Abs. 5 der InfoSoc-Richtlinie dürfen die „Schranken“ nicht die normale Verwertung des Werks beeinträchtigen oder die Interessen des Rechtsinhabers ungebührlich verletzen. Beides liegt nach Auffassung des OLG hier nicht vor. Es sei ausgeschlossen, dass jemand, der ein Werk des Künstlers Rizzi erwerben möchte, ein Bild von Otto kaufe und umgekehrt. Die Parodie sei kein geeigneter Ersatz für das Original und gefährde daher nicht dessen Verwertung. Schließlich liegt nach Ansicht des OLG auch keine im Sinne des Wettbewerbsrechts unzulässige Nachahmung vor. Zwar könne das Angebot einer Nachahmung kann nach § 4 Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände – wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft oder eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts – hinzutritt. Eine Herkunftstäuschung läge hier aber nicht vor, da das „Ottifanten“-Bild ein Selbstporträt von Otto und deutlich erkennbar dessen Signatur enthält.

Es könne ausgeschlossen werden, dass potentielle Käufer das „Ottifanten“-Bild für ein Rizzi-Werk halten oder von geschäftlichen Beziehungen zwischen den Künstlern ausgehen. Auch eine Rufausbeutung liege nicht vor. Insofern sei eine kunstspezifische Betrachtungsweise geboten, wonach die Parodie gerade eine Anlehnung an das Original erforderlich mache. Der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz dürfe das „austarierte Schrankengefüge des Urheberrechts nicht unterlaufen“. Die Entscheidung schafft weitere Klarheit für den Bereich der künstlerischen Parodien. Die getroffenen Feststellungen sind auf die seit dem 07.06.2021 geltende Regelung des § 51a Abs. 1 UrhG übertragbar, der die deutschen Schrankenregelungen dem Unionsrecht anpasst und Parodien erstmals ausdrücklich gesetzlich regelt.

Liegt eine Parodie vor, darf diese auch kommerziell verwertet werden und dabei (wie hier) den wirtschaftlichen Erfolg des Originals sogar übertreffen. „Das mag man mögen oder nicht, es ist aber ein von der grundrechtlich geschützten Kunstfreiheit des Beklagten umfasster Bereich seiner künstlerischen Ausdrucksweise“, wie das OLG festhielt.
 

Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel