BGH bejaht grob fahrlässige Unkenntnis von Käufern in sog. „Diesel“-Fällen

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Auch 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) vermehrt mit Fällen aus dem sog. „Dieselskandal“ zu befassen. In gleich fünf Urteilen vom 10.02.2022 ging es um die Verjährung von Schadensersatzansprüchen der Käufer gebrauchter PKW (Az. VII ZR 365/21, VII ZR 396/21, VII ZR 679/21, VII ZR 692/21 und VII ZR 717/21).  

Der BGH hat dabei zwei wichtige Rechtsfragen geklärt, die für tausende noch anhängige Prozesse von Bedeutung sind. Erstens ging es um die Frage, ob die Ansprüche der Käufer verjährt sind, weil sie erst 2020 Klage einreichten, obwohl sie das jeweilige Fahrzeug bereits 2014 bzw. 2015 erworben hatten. Zweitens musste der BGH entscheiden, ob den Käufern eines Gebrauchtwagens auch nach Eintritt der 3-jährigen Verjährung der sog. Restschadensersatzanspruch nach § 852 BGB zusteht. 

Zur ersten Frage hat der BGH in den Fällen VII ZR 365/21 und VII ZR 717/21 festgestellt, dass die Ansprüche verjährt sind. Die Käufer hatten jedenfalls im Jahr 2016 aufgrund eines Kundenanschreibens der Beklagten positive Kenntnis von der Betroffenheit ihrer Fahrzeuge. Es wäre ihnen zumutbar gewesen, noch im Jahr 2016 Klage zu erheben – die erst 2020 erhobenen Klagen konnten die dreijährige Verjährungsfrist nicht mehr hemmen. 

In den Verfahren VII ZR 679/21 und VII ZR 692/21 hat der BGH zulasten der Kläger grob fahrlässige Unkenntnis von der Betroffenheit ihrer Fahrzeuge angenommen. So hätten die Kläger 2015 allgemeine Kenntnis vom Dieselskandal erlangt und es bis Ende 2016 grob fahrlässig unterlassen, sich Kenntnis von der konkreten Betroffenheit ihres Fahrzeuges zu verschaffen,  obwohl dies anhand öffentlich zugänglicher Informationsquellen wie der von der Beklagten gestellten Online-Plattform leicht möglich gewesen wäre. Somit begann auch für diese Kläger die dreijährige Verjährungsfrist im Jahr 2016 und lief mit Ende des Jahres 2019 ab. 

Zur Frage des Restschadensersatzanspruchs nach § 852 BGB, für den eine zehnjährige Verjährungsfrist gilt, hat der BGH entschieden, dass dieser den Käufern eines vom Dieselskandal betroffenen Gebrauchtwagens nicht zusteht. Nach Sinn und Zweck des § 852 BGH sollen demjenigen, der einen anderen durch unerlaubte Handlung schädigt und dadurch sein Vermögen mehrt, auch bei Verjährung des Schadensersatzanspruchs nicht die auf diese Weise erlangten Vorteile verbleiben. 

Es müsse aber in jedem Fall der Vermögenszuwachs auf dem Vermögensverlust des Geschädigten beruhen. Daher setze ein Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB in den „Diesel“-Fällen voraus, dass die Herstellerin im Verhältnis zum Geschädigten etwas aus dem Fahrzeugverkauf an diesen erlangt hat.

In mehraktigen Fällen wie bei dem Kauf eines von einem Dritten erworbenen Gebrauchtwagens führe der Kauf aber zu keiner Vermögensverschiebung im Verhältnis zwischen dem Geschädigten und der Herstellerin. Denn bei einem Gebrauchtwagenverkauf, der zwischen dem klagenden Geschädigten und einem Dritten abgeschlossen wird, partizipiere die Herstellerin weder unmittelbar noch mittelbar an einem etwaigen Verkäufergewinn aus diesem Kaufvertrag. Deshalb scheide in diesen Fällen ein Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB aus. 

Die Entscheidungen dürften in zahlreichen noch anhängigen Verfahren zur Abweisung der Klagen führen, da auch 2020 und 2021 noch viele Käufer versuchten, vermeintliche Schadensersatzansprüche gerichtlich geltend zu machen.

Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel