Bundesgerichts­hof entscheidet erneut in mehreren „Diesel-Fällen“

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In zwei aktuellen Urteilen (Az. VIII ZR 111/20 und VI ZR 136/20) hat der Bundesgerichtshof (BGH) sich mit weiteren Rechtsfragen rund um den sog. Diesel-Skandal befasst.

Im ersten der beiden Fälle hatte der Kläger einen Škoda Yeti gekauft, der mit einem von der Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet war. Nach Bekanntwerden der unzulässigem Motorsteuerungssoftware erklärte der Käufer im Herbst 2017 den Rücktritt vom Vertrag. Das angebotene Software-Update ließ der Kläger nicht aufspielen, weil er negative Folgen für das Fahrzeug befürchtete.

Entscheidend für diesen Rechtsstreit war die Frage, ob der Kläger (wie geschehen) vom Kaufvertrag zurücktreten durfte, ohne zuvor dem Verkäufer eine Frist zur Behebung des Mangels zu setzen. Die Vorinstanzen hielten eine Fristsetzung für entbehrlich, da dem Käufer eine Nachbesserung nicht zumutbar sei.

Der BGH hat der Revision des Herstellers gegen die Entscheidung nun stattgegeben, das Urteil des Oberlandesgerichts Köln aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.  In seinem Urteil stellt der BGH fest, dass die Fristsetzung zur Mangelbeseitigung nicht allein deshalb entbehrlich sei, weil das Fahrzeug vom Hersteller mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Verkehr gebracht worden ist oder der bloße Verdacht besteht, dass ein zur Mangelbeseitigung angebotenes Software-Update zu anderen Nachteilen am Fahrzeug führen könnte. Hierzu müssten vielmehr sachverständige Feststellungen durch das Gericht getroffen werden.

Eine Fristsetzung könne zwar entbehrlich sein, wenn der Verkäufer dem Käufer einen ihm bekannten Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig verschwiegen habe. Auf den vorliegenden Fall lasse sich diese Rechtsprechung jedoch nicht übertragen, da der Verkäufer selbst (anders als der Hersteller) den Mangel bei Vertragsabschluss nicht gekannt habe. Der BGH urteilt weiter, es könne nicht nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, mit dem Software-Update gingen negative Folgen für das Fahrzeug und dessen Betrieb einher (höherer Verbrauch, kürzere Lebensdauer des Fahrzeugs, erhöhter Verschleiß, verminderte Leistung, schlechtere Emissionen). Dies müsse vielmehr konkret durch das Gericht, bspw. durch Sachverständigengutachten, festgestellt werden.

Die Revision des Klägers hat der BGH hingegen zurückgewiesen. Dieser wollte erreichen, dass für die Berechnung des bei einer Rückabwicklung des Kaufvertrages in Abzug zu bringenden Nutzungsersatzes eine Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 400.000 Kilometern angesetzt wird, statt wie vom OLG Köln angenommen 250.000 Kilometern. Hier entschied der BGH, der Kläger habe nicht aufgezeigt, dass ein Sachverständigengutachten eine tragfähigere Schätzgrundlage als die seit vielen Jahren veröffentlichten Schätzwerte der Tatgerichte böte, die für derartige Fahrzeuge von 250.000 Kilometern Gesamtlaufleistung ausgehen.

In dem zweiten Fall (VI ZR 136/20) hatte der Kläger die Volkswagen AG unter anderem auf Feststellung einer Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz für Belastungen mit Aufwendungen verklagt, die aus der Manipulation seines Fahrzeugs resultierten. Die vorgerichtlich verlangte Rückabwicklung des Kaufvertrags hatte er lediglich hilfsweise beantragt. Die Besonderheit dieses Falls lag darin, dass der Kläger sich nicht zwischen dem „großen“ oder „kleinen“ Schadensersatz entschieden hatte – diese Entscheidung wollte er erst in dem anschließenden Leistungsprozess treffen. Bei der Geltendmachung des großen Schadensersatzes wird das Fahrzeug zurückgegeben und der Kläger erhält den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung. Beim kleinen Schadensersatz behält der Käufer das Fahrzeug, kann aber den Kaufpreis mindern.

Der BGH hat nun – abweichend von der Vorinstanz – entschieden, dass der Feststellungsantrag des Klägers schon nicht zulässig sei und die Klage insofern abgewiesen. Der Kläger könne sein Feststellungsinteresse nicht darauf stützen, dass er sich weiterhin die Wahl offenhalten möchte, ob er von der Beklagten den Ersatz des großen oder des kleinen Schadens verlangt. Es sei dem Kläger vielmehr zumutbar gewesen, schon bei Erhebung der Klage zu entscheiden, welchen Schadensersatz er geltend machen möchte. Insbesondere hätte er im Rahmen einer Leistungsklage den großen oder kleinen Schadensersatzanspruch beziffern können und müssen, da der Minderwert bzw. die abzuziehenden Nutzungsvorteile geschätzt werden könnten.

Den Hilfsantrag des Klägers auf großen Schadensersatz hielt der BGH hingegen für zulässig und verwies das Verfahren insofern zurück an das OLG Karlsruhe.

Autor: Rechtsanwalt Marc Hügel